Alles online

Der Online-Markt für berufliche Weiterbildung wächst, auch Online-Coaching boomt. Eine Interaktionstechnik, deren Akzeptanz entweder bei 100 oder 0 % liegt, dazwischen gibt es wenig. Coaching und Training im virtuellen Raum werden entweder geliebt und als besonders effizient wahrgenommen – oder aber als unmöglich empfunden und abgelehnt. Was aber, wenn sich keine ausreichend große Schnittmenge aus den Faktoren Zeit, Budget, Verfügbarkeiten und Umstände ausmachen lässt? Dann zumindest lohnt sich die Überlegung, für diesen Moment die Welten zu wechseln: von real zu virtuell.

Wirksamkeit

Ein Punkt, den wir nicht ganz unvoreingenommen, doch reinen Herzens bestätigen können. Denn wir selbst haben vor einigen Jahren an der ZHAW in Zürich ein Pilot-Forschungsprojekt geleitet, das die Wirksamkeit von Distanz-Beratung untersucht hat. Und für das wir damals ausgezeichnet wurden. Viele andere Studien später hat sich am Ergebnis nichts geändert:

Es ist nicht der reale, persönliche Moment, der über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Vielmehr liegen die einflussreichen Wirkfaktoren in der Haltung und Persönlichkeit der Coaches oder Trainer selbst begründet. Wertschätzung, emotionale Unterstützung, ergebnisorientierte Problem- und Selbstreflexion, eine gelingende Aktivierung der jeweiligen Ressourcen und handfeste Unterstützung bei der Umsetzung – das ist es, was aus einer inspirierenden Idee eine neue Handlung werden lässt. Und zwar dann, wenn die Coaches und Trainer nicht dabei sind.

Was dafür spricht

Ganz neutral betrachtet hat Coaching/Beratung/Training auf Distanz einige Vorteile: Unabhängigkeit von räumlichen und zeitlichen Einschränkungen, Ersparnis von Zeit und dadurch Kosten und – je nach gewähltem Medium – Wahrung der Anonymität und fehlende Bewertung der visuellen Erscheinung.

Und was dagegen spricht

Nähe zum Gesprächsgegenüber aufzubauen ist online etwas schwieriger, weil bestimmte Wahrnehmungsebenen fehlen oder reduziert sind. Ganz grundsätzlich ist eine Zusammenarbeit auf Distanz nicht jedermanns Sache – weder auf der einen, noch der anderen Seite. Wer sich beispielsweise als Coach in diesem Element nicht wohlfühlt, wird nicht in der Lage sein, die Klienten sicher, professionell und wirkungsvoll in diesem Prozess zu begleiten. Wer wiederum als Coachee-in-spe schreiben, telefonieren oder den virtuellen Austausch über ein entsprechendes Tool als unangenehm empfindet (und wenn die Ablehnung deutlich ausgeprägter ist als die Neugier), wird sich sehr wahrscheinlich auf einen solchen Prozess nicht einlassen.

Ins Netz gegangen

Nein, man muss nicht auf jeden Zug aufspringen, nur weil es geht oder es die anderen auch tun. Und es liegt uns fern, Coaching oder Training im virtuellen Raum als Nonplusultra anzupreisen. Doch wir wollen es auch nicht kleiner reden als es ist: Eine äußerst funktionelle Erweiterung der Möglichkeiten, sich persönlich zu entwickeln.

Schon vor Jahren haben wir begonnen, uns mit dem Thema Beratung und Kommunikation aus der Distanz (im weitesten Sinn) auseinanderzusetzen. Die eine im Rahmen eines Forschungs-Pilotprojekts, für das sie ausgezeichnet wurde. Und die andere durch die Arbeit vor und hinter dem Radiomikrofon, deren größte Herausforderung und Notwendigkeit darin bestand, fehlende Sinne (hier: Optik) durch non-verbale Zeichen (hier: Stimme) und Sprache zu kompensieren. Heute bieten wir all das online an, was aus unserer Sicht und mit unseren Ressourcen möglich und sinnvoll ist. Und unsere Art zu arbeiten (zu zweit, kleine Gruppen, sehr gute Vorbereitung, professionell gestaltete Unterlagen, wenig frontal) macht den Transfer von off- zu online leicht.

Ja, die fehlende physische Präsenz ist ein Thema. Immer. Aber da es um einen beruflichen Kontext geht und nicht um Familientreffen, rückt sogar das (ein bisschen) in den Hintergrund.